Wirklich? Möglich! – Mit dem Möglichkeitssinn die Welt neu betrachten

Wir alle leben im Rahmen unserer persönlichen Realität – wir handeln, reagieren und bewältigen das, was ist. Doch unsere Welt könnten wir auch anders betrachten: mit dem Möglichkeitssinn.

In seinem Buch „Aufklärung in Zeiten der Verdunkelung“ fordert Philipp Blom (Bücherberg-Rezension folgt bald!) dazu auf, über das Bestehende hinauszudenken, um den globalen Krisen unserer Zeit zu begegnen. Er greift dabei auf ein prägendes Zitat von Robert Musil zurück, das den Möglichkeitssinn auf den Punkt bringt:

Wer [den Möglichkeitssinn] besitzt, erfindet: Hier könnte, sollte oder müsste geschehen; und wenn man ihm von irgendetwas erklärt, dass es so sei, wie es sei, dann denkt er: Nun, es könnte wahrscheinlich auch anders sein.
— Robert Musil (in „Der Mann ohne Eigenschaften“)

Blom verwendet dieses Zitat, um zu zeigen, wie dringend wir heute neue Wege denken müssen, um der Klimakrise und gesellschaftlichen Spaltungen etwas entgegenzusetzen. Doch bevor wir uns dem Möglichkeitssinn widmen, sollten wir uns zunächst dem Wirklichkeitssinn zuwenden – jener Fähigkeit, die uns hilft, die Welt so zu sehen, wie sie für uns ist.

Wirklichkeitssinn: Der Blick auf das, was wirklich ist

Der Wirklichkeitssinn ist die Grundlage unseres Alltags. Er hilft uns, die Realität zu bewältigen und uns an das, was vor uns liegt, anzupassen. Doch um die immer drängender werden Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen, reicht dieser Sinn allein nicht aus. Zu oft, so erlärt Blom, führt uns der Wirklichkeitssinn in eine Art kognitive Dunkelheit, in der wir uns von den Problemen überfordert fühlen und die Verantwortung abschieben.

Ein Beispiel dafür ist die Klimakrise. Während uns die Wissenschaft klare Beweise für die Erderwärmung und ihre Folgen liefert, reagieren viele Menschen mit einer Art Ignoranz. Sie leben weiter wie gewohnt, kaufen weiterhin Produkte, die der Umwelt schaden, und schieben die Verantwortung auf die Politik oder andere. Diese kognitive Verdunkelung hindert uns daran, aktiv zu handeln und Lösungen zu finden, obwohl die Informationen vorhanden sind. Wir wissen, dass es so nicht weitergehen kann, dass es falsch ist – und schauen weg.

Möglichkeitssinn: Denken, was noch nicht ist

Wir brauchen eine neue Art zu denken, die das Mögliche genauso ernst nimmt wie das Wirkliche.

Hier kommt der Möglichkeitssinn ins Spiel. Blom zeigt eindrücklich, dass wir nicht nur mit dem Bestehenden leben können, sondern eine neue Art zu denken brauchen, die das Mögliche genauso ernst nimmt wie das Wirkliche. Der Möglichkeitssinn hilft uns, über den Status quo hinauszudenken und Alternativen zu sehen. Er bietet uns einen Ausweg aus der Bloms “kognitiver Dunkelheit” (siehe oben).

Nehmen wir auch hier die Klimakrise als Beispiel: Trotz der alarmierenden Berichte über die Erderwärmung gibt es zahlreiche innovative Ansätze, die uns helfen können, eine nachhaltigere Zukunft zu gestalten. Der Möglichkeitssinn ermutigt uns, Lösungen zu finden, die die Umwelt schützen und soziale Gerechtigkeit fördern. Initiativen wie nachhaltige Städteplanung, regenerative Landwirtschaft und der Einsatz erneuerbarer Energien zeigen, dass es Alternativen gibt, die den Menschen wieder als Teil der Natur begreifen. Was wäre, wenn…?!

Unsere Welt steht vor enormen ökologischen und gesellschaftlichen Krisen. Wir brauchen das Mögliche mehr denn je. Blom plädiert für eine radikale Neuausrichtung, die über bisherige Denkweisen hinausgeht und eine planetarisch gerechte Lebensweise fordert.

Wirklichkeitssinn und Möglichkeitssinn in der Kommunikation: Wie entstehen neue Ideen?

Die Zukunft wird nicht einfach eine Verlängerung der Gegenwart sein.

Kommunikation ist mehr als der Austausch von Informationen – sie kann helfen, neue Perspektiven zu eröffnen und Potenziale sichtbar zu machen. Doch wie gelingt das?

Es beginnt oft damit, die richtigen Fragen zu stellen. Anstatt sich nur auf das zu konzentrieren, was ist, fragt man: Was könnte sein? Das öffnet den Raum für kreative Denkprozesse. In meiner Arbeit als Kommunikationsberaterin und Texterin nutze ich hierfür Fragetechniken, gezieltes Zuhören und Perspektivenwechsel. Das sieht dann in etwa so aus:

  • Offene Fragen stellen: Anstatt zu fragen: „Wie lösen wir dieses Problem?“, frage ich: „Welche Möglichkeiten sehen wir, dieses Problem anders anzugehen?“ Oder: „Was haben wir noch nicht bedacht?“

  • Aktives Zuhören: Oft hören wir nur das, was wir hören wollen. Nämlich das, was bestätigt, was wir schon wissen. Mit aktivem Zuhören suche ich gezielt nach den Zwischentönen – nach Ideen, die auf den ersten Blick ungewöhnlich oder unkonventionell erscheinen. Diese Ideen sind oft der Schlüssel für neue Lösungen.

  • Perspektive wechseln: Ein weiterer Ansatz ist es, die Positionen zu wechseln. „Wie würde ein Aussenstehender diese Situation betrachten?“, “Welche Botschaft kommt bei den Mitarbeitenden an?” oder „Was würden wir tun, wenn wir keinerlei Einschränkungen hätten?“ – solche Fragen helfen dabei, über den Tellerrand hinauszudenken.

Indem wir in der Kommunikation solche Ansätze nutzen, können wir Möglichkeiten entdecken, die bisher verborgen waren. Wir brauchen sie. Unbedingt! Denn die Zukunft ist nicht einfach eine Verlängerung der Gegenwart.


Und Du? Wo könntest Du in Deiner Kommunikation durch neue Fragen oder andere Blickwinkel neue Möglichkeiten entdecken? Teile Deine Gedanken in den Kommentaren – ich freue mich darauf, von Dir zu lesen!


Ausblick: Bücherberg-Rezension folgt

In meiner kommenden Rezension zu Philipp Bloms „Aufklärung in Zeiten der Verdunkelung“ werde ich tiefer auf die Themen eingehen, die Blom so eindrucksvoll aufwirft: Wie können wir eine neue Aufklärung gestalten, die auf planetarischer Gerechtigkeit basiert? Was bedeutet es, den Mensch als Teil der Natur zu verstehen? Und wie können wir die Lebenslügen unserer Zeit entlarven, um echten Fortschritt zu ermöglichen? Bloms Reflexionen bieten nicht nur Denkanstösse, sondern auch einen Weg, unsere Zukunft bewusst zu gestalten.


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